Wer heute die St. Andreas-Kirche betritt, tut dies meist durch das Hauptportal, das durch den mächtigen Steinturm führt. Im Jahr 2009 wurde dieser Steinriese 220 Jahre alt. Was viele nicht wissen: Von der Idee einen steinernen Kirchturm zu errichten bis zu seiner endgültigen Fertigstellung vergingen fast 90 turbulente Jahre. Der Hauptgrund für die Verzögerung war der andauernde Zuständigkeitsstreit zwischen der Nürnberger Patrizierfamilie der Haller und dem markgräflichen Amt in Baiersdorf.
Die Odyssee begann im Jahre 1701 als man bemerkte, dass der bisherige Turm – ein kleiner hölzerner Dachreiter – baufällig geworden war. Doch der Vorschlag der Gemeinde einen steinernen Turm zu bauen,wurde von den Hallern, die die „Gotteshausherrschaft“ inne hatten, abgelehnt.
Als 1750 aber auch der 1710 erbaute kleine Holzturm baufällig wurde, ließen sich die Gemeindemitglieder von den Hallern nicht mehr abspeisen. Weil nicht genug Geld da war, baten die Kalchreuther andere Gemeinden und auch die Reichsstadt Nürnberg um Spenden. Tatsächlich schenkte Heroldsberg der Gemeinde eine beachtliche Menge an Steinquadern. Aber nicht nur die Bedenken der Haller, sondern auch die Wirren des Siebenjährigen Krieges, der zwischen 1756 und 1763 wütete, zögerten eine Entscheidung heraus.
Die Jahre von 1764 bis 1774 waren geprägt von zahllosen Streitigkeiten und sinnlosen Machtkämpfen zwischen den Hallern und dem markgräflichen Amt in Baiersdorf, das der größte Lehensherr in Kalchreuth geworden war. Man stritt sich wegen jeder Kleinigkeit und nahm jeweils die Position ein, die der anderen entgegen stand. Nichts ging voran.
Selbst als 1774 die vorübergehend im Chor der Kirche hängenden Glocken diesen zu beschädigen drohten und ein Gewichtsstrang der Uhr zerriss und Schaden anrichtete, dauerte es noch einmal über 10 Jahre bis sich schließlich alle Parteien 1788 einigten und der Turm endlich gebaut werden konnte. Am 4. September 1789 wurde der Kirchturm nach fast 100-jähriger Streit- und Bauzeit feierlich eingeweiht.
Weil den Beteiligten zwar nicht die Sprache verwirrt worden war, sie aber aus Eigensucht und Geltungsbedürfnis ständig aneinander vorbei geredet hatten, sprachen viele Kritiker vom babylonischen Kirchturm zu Kalchreuth.